Hirnstimulation bei Glaukom: tDCS, TMS und Modulation des visuellen Kortex
Einleitung
Glaukom ist eine Augenerkrankung, die den Sehnerv schädigt und zu peripherem Sehverlust führt. Sobald eine Schädigung auftritt, können konventionelle Behandlungen (wie die Senkung des Augeninnendrucks) das verlorene Sehvermögen nicht wiederherstellen. Forscher haben daher untersucht, ob nicht-invasive Hirnstimulation dazu beitragen könnte, das verbleibende Sehvermögen zu verbessern. Zwei gängige Methoden sind die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) und die transkranielle Magnetstimulation (TMS), die schwache elektrische oder magnetische Impulse auf die Kopfhaut anwenden, um die Gehirnaktivität zu modulieren. Kleine Studien haben solche Techniken an Glaukompatienten getestet, um zu sehen, ob die visuelle Verarbeitung (Kontrastempfindlichkeit, Gesichtsfelddefekte usw.) verbessert werden kann. Wir überprüfen diese Pilot- und kontrollierten Studien und beachten dabei, wo Elektroden oder Spulen platziert wurden, die Stimulationseinstellungen, die gemessenen Sehverbesserungen und wie lange diese Verbesserungen anhielten. Wir diskutieren auch mögliche Mechanismen (wie die Steigerung der Hirnplastizität oder die Reduzierung von neuronalem „Rauschen“) und die Bedeutung gut konzipierter scheinkontrollierter Studien (da Übungs- oder Placeboeffekte eine Verbesserung vortäuschen können).
Hirnstimulationstechniken
tDCS verwendet einen milden konstanten elektrischen Strom, der über Elektroden auf der Kopfhaut angelegt wird. Je nach Polarität kann sie die kortikale Erregbarkeit erhöhen (anodal) oder verringern (kathodal). Typischerweise wird eine Elektrode über der Zielhirnregion (oft dem okzipitalen visuellen Kortex) platziert und die andere Elektrode (Referenz) an einer anderen Stelle (z.B. Wange oder Stirn). Behandlungssitzungen dauern oft 10–20 Minuten bei 1–2 mA. TMS verwendet kurze magnetische Impulse durch eine Spule, um elektrische Ströme im darunterliegenden Kortex zu induzieren. Beide Methoden wurden für viele Hirnerkrankungen eingesetzt; im Bereich des Sehens zielen sie darauf ab, die verbleibende Sehfunktion durch die Rekrutierung von Plastizität in den visuellen Bahnen zu „stärken“.
tDCS bei Glaukom
In Glaukomstudien haben Forscher im Allgemeinen den visuellen Kortex (Okzipitallappen) anvisiert. Eine aktuelle randomisierte Studie ließ Patienten eine Sitzung von anodaler tDCS (a-tDCS) mit 2 mA für 20 Minuten erhalten. Die Anode wurde bei Oz (Mittellinie des Okziputs) und die Kathode auf der Wange platziert. Diese einzelne Sitzung verbesserte die Erkennungsgenauigkeit des Gesichtsfeldes (etwa 3–5% Verbesserung in der hochauflösenden Perimetrie) im Vergleich zur Scheinstimulation (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Die multifokalen visuell evozierten Potenziale (mfVEP) zeigten nach a-tDCS ebenfalls ein leicht höheres Signal-Rausch-Verhältnis und schnellere Reaktionen. Diese Verbesserungen waren statistisch signifikant gegenüber der Scheinstimulation, aber sehr gering in ihrer Größenordnung, etwa in der Größenordnung der Test-Retest-Variabilität (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Mit anderen Worten, das Sehvermögen verbesserte sich bei einigen Tests, aber nur um wenige Prozent, was im täglichen Leben möglicherweise nicht spürbar ist.
Sitzungsparameter: Typische Pilotstudien verwendeten eine einzelne 20-minütige Sitzung von 1–2 mA a-tDCS am Okziput (Oz). Eine Studie versuchte auch alternative Wellenformen (Wechselstrom-tACS bei 10 Hz und Zufallsrauschen-tRNS) im Vergleich zur Scheinstimulation, aber nur a-tDCS zeigte einen klaren Effekt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Keine Studie hat sehr hohe Intensitäten oder sehr lange Dauern über 20–30 Minuten hinaus verwendet.
Sehergebnisse: Zu den gemessenen Ergebnissen gehörten Gesichtsfeldindizes (z.B. Erkennungsgenauigkeit oder mittlerer Defekt in der Perimetrie) und manchmal Kontrastempfindlichkeit oder Sehschärfe. In der oben genannten Studie führte a-tDCS zu einer geringfügigen Erhöhung der Erkennungsgenauigkeit bei einem hochauflösenden Perimetrietest (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Es wurde keine große Veränderung in der standardisierten automatisierten Perimetrie (mittlerer Defekt) oder in der Sehschärfe festgestellt. Die Kontrastempfindlichkeit wurde in Glaukomstudien nicht immer gemessen, obwohl tDCS bei anderen Augenerkrankungen die Kontrastschwellen vorübergehend verbessern kann. Entscheidend ist, dass die Glaukom-RCT feststellte, dass die geringfügigen Verbesserungen „klinisch möglicherweise nicht bedeutsam sind“ (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).
Dauer der Effekte: In diesen Studien wurden die Effekte unmittelbar vor und nach der Stimulationssitzung getestet. In dieser Studie wurde keine nachhaltige Nachbeobachtung über Stunden hinaus berichtet, daher ist unklar, wie lange der Nutzen einer Sitzung anhält. Andere Forschungen (im Allgemeinen bei Sehnervenschäden) legen nahe, dass jede Verbesserung oft über Tage oder Wochen nachlässt, sobald die Stimulation beendet ist (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).
TMS und andere Modalitäten
TMS: Bislang gibt es wenige veröffentlichte Studien zur repetitiven TMS (rTMS) speziell für Glaukom. TMS kann Neuronen des visuellen Kortex erregen und wurde experimentell eingesetzt, um Phosphene (Lichtblitze) selbst bei blinden Personen zu induzieren. Theoretisch könnte rTMS in mehreren Sitzungen am Okzipitallappen angewendet werden, um die kortikale Erregbarkeit zu steigern und möglicherweise Restsehvermögen zu enthüllen. Bislang haben jedoch keine gut kontrollierten Studien bei Glaukom klare Sehverbesserungen durch TMS gezeigt. (Die meisten Gesichtsfeldstudien mit TMS wurden bei schlaganfallbedingtem Sehverlust und nicht bei Glaukom durchgeführt.)
Alternative elektrische Stimulation: Einige Studien haben die transorbitale Wechselstromstimulation (rtACS) verwendet, bei der Elektroden auf die geschlossenen Augenlider gelegt werden, um die Netzhaut/den Sehnerv zu stimulieren. Obwohl dies hauptsächlich das Auge und nicht das Gehirn betrifft, wurde es mit Hirnmonitoring kombiniert. In einer großen randomisierten Studie zu rtACS bei Sehnervenschäden (einschließlich vieler Glaukompatienten) erhielten die Probanden 10 tägliche Sitzungen von jeweils 50 Minuten. Sowohl die Echtstimulations- als auch die Scheinstimulationsgruppe verbesserten ihr Gesichtsfeld bei routinemäßigen Tests, mit einem etwas größeren mittleren Zuwachs in der rtACS-Gruppe (median ~41,3% vs. 29,3% Erkennungszunahme (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)). Der Unterschied erreichte keine statistische Signifikanz für das Hauptendpunkt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Interessanterweise zeigte sich bei einer 2-monatigen Nachbeobachtung ein bescheidener Vorteil zwischen den Gruppen bei einem Maß (Empfindlichkeit der statischen Perimetrie) zugunsten von rtACS (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Mit anderen Worten, dies deutet auf einen gewissen anhaltenden Nutzen hin, aber die meisten Verbesserungen wurden auch in der Scheinstimulationsgruppe beobachtet, was auf Lern- oder Placeboeffekte hindeutet. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass rtACS „das Sehvermögen teilweise wiederherzustellen scheint“, indem es die Gehirnplastizität fördert (pmc.ncbi.nlm.nih.gov), aber der klinische Nutzen insgesamt gering war.
Studienergebnisse – Verbesserungen und Grenzen
Studienübergreifend waren alle Verbesserungen des Sehvermögens im Allgemeinen modest und kurzlebig. In den oben genannten transkraniellen Studien beispielsweise war die Kontrastempfindlichkeit nicht wesentlich verändert, und Gesichtsfeldverbesserungen lagen nur wenige Prozentpunkte über dem Ausgangswert. Patienten bemerken solche kleinen Veränderungen selten. Die meisten Berichte beschreiben unmittelbare Verbesserungen nach der Stimulation, mit wenig Evidenz für langfristige Dauerhaftigkeit. In der rtACS-Studie hielt eine kleine Gesichtsfeldverbesserung bei einer Messung nach 2 Monaten an (pmc.ncbi.nlm.nih.gov), aber viele andere Maßnahmen gingen zurück. Auch die Effekte einer Einzelsitzung tDCS lassen ohne wiederholte Sitzungen voraussichtlich nach.
Darüber hinaus sind Placeboeffekte wichtig. Einige Studien fanden, dass sich Sehtests auch bei Scheinstimulation (inaktiv) verbesserten (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Deshalb zeigte die größere Studie einen 29%igen Zuwachs bei den Placebo-Respondern. Eine aktuelle Übersicht über nicht-invasive Stimulation bei Augenerkrankungen kam zu dem Schluss, dass die geringen durchschnittlichen Vorteile (für Sehschärfe, Gesichtsfelderkennung usw.) teilweise Placebo- oder Übungseffekte widerspiegeln könnten (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Mit anderen Worten, die „aktive“ Stimulation übertraf die Scheinstimulation oft nur geringfügig, und manchmal waren die Verbesserungen durch Scheinstimulation ebenso groß. Diese Unsicherheit bedeutet, dass wir frühe Pilotstudien-Ergebnisse vorsichtig interpretieren müssen.
Mögliche Mechanismen
Wenn Hirnstimulation das Sehvermögen tatsächlich verbessert, wie könnte sie wirken? Eine Idee ist die kortikale Plastizität: Der visuelle Kortex könnte schwache Bahnen stärken und „Reserve“-Schaltkreise nach der Augenverletzung freilegen. Die Stimulation könnte die Spiegel von Wachstumsfaktoren erhöhen oder Neurotransmitter verändern, wodurch sich das Gehirn leichter anpassen kann (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Zum Beispiel wird angenommen, dass anodale tDCS Neuronen leicht depolarisiert und so potenziell die synaptische Plastizität in visuellen Bereichen verbessert. Eine weitere Idee ist die Rauschunterdrückung: Bei degenerierendem Sehvermögen könnten die verbleibenden Signale des Auges in „neuralem Rauschen“ verborgen sein. Einige Studien (bei anderen Netzhauterkrankungen) legen nahe, dass die Reduzierung von Rauschen die Wahrnehmung schnell verbessern kann. Zum Beispiel fand eine Studie bei proliferativer diabetischer Retinopathie, dass die Anwendung kathodaler tDCS (die hyperaktive Neuronen hemmen kann) visuelle Aufgaben verbesserte. Die Autoren schlugen vor, dass tDCS wahrscheinlich das Niveau zufälliger neuronaler Aktivität senkte und dadurch das tatsächliche visuelle Signal klärte (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Analog dazu könnte tDCS, wenn überlebende retinale Ganglienzellen bei Glaukom „rauschhaft“ sind, dazu beitragen, dieses Rauschen zu „unterdrücken“ und die Kontrast- oder Gesichtsfeldempfindlichkeit zu verbessern.
Andererseits sind einige Effekte möglicherweise überhaupt nicht physiologisch. Stimulation kann die Wachsamkeit oder das Placebo-Gefühl, „dass etwas passiert“, erhöhen, was die Testleistung verbessern kann. Tatsächlich stellte die Studie zur Sehnervstimulation fest, dass ein Großteil des Stroms tatsächlich durch die Netzhaut und den Sehnerv und nicht durch den tiefen Kortex fließt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Diese Autoren behaupten immer noch Veränderungen in der Hirnsynchronisation (EEG-Rhythmen in visuellen Bereichen) nach der Behandlung, aber es ist schwer, nicht-spezifische Effekte auszuschließen. Um diese Möglichkeiten zu entwirren, müssen zukünftige Studien Hirnmaße (wie EEG oder fMRT) mit Sehtests kombinieren.
Zukünftige Studien – Verbesserung der Strenge
Angesichts der bisher bescheidenen und gemischten Ergebnisse müssen zukünftige Studien sorgfältig konzipiert werden. Wichtige Elemente sind:
- Randomisiertes, scheinkontrolliertes Design: Jede Gruppe mit echter Stimulation muss eine Scheinstimulation erhalten, die die Empfindung nachahmt (z.B. kurzer Stromanstieg, aber keine fortlaufende Stimulation). Sowohl Patienten als auch Prüfer sollten verblindet sein. Dies ist entscheidend, um Lern- und Placeboeffekte zu berücksichtigen.
- Mehrere Sitzungen: Einzelsitzungen führen nur zu kurzlebigen Effekten. Studien sollten wiederholte Sitzungen testen (z.B. täglich für 1–2 Wochen), da neuroplastische Veränderungen oft Wiederholung erfordern. Die VIRON-Studie führt 10 Sitzungen von jeweils 25 Minuten für Glaukom durch (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov).
- Objektive Ergebnisse: Verwenden Sie standardisierte Sehtests wie die automatisierte Perimetrie (mittlerer Defekt, Gesamtdeviation), Kontrastempfindlichkeits-Diagramme und sogar Elektrophysiologie (VEP oder EEG) als sekundäre Messgrößen. Hochauflösende Perimetrie kann kleine Veränderungen erkennen, aber die Ergebnisse müssen die normale Testvariabilität übersteigen. Die Einbeziehung patientenberichteter Sehfragebögen kann den realen Einfluss messen.
- Nachbeobachtungsmessungen: Um die Dauerhaftigkeit zu beurteilen, sollte das Sehvermögen Wochen nach der letzten Stimulation erneut getestet werden. Wenn die Vorteile anhalten, sollte das Gesichtsfeld (oder die Sehschärfe) bei der Nachuntersuchung besser sein als zu Studienbeginn.
- Neuroimaging / Physiologie: Die Kombination mit funktioneller MRT oder EEG kann zeigen, ob sich die visuellen Netzwerke des Gehirns nach der Stimulation verändern. Zum Beispiel könnte man prä- und post-Behandlung fMRT während der Präsentation visueller Reize durchführen oder die Konnektivität visueller Bereiche im Ruhezustand messen. Dies hilft zu überprüfen, ob wahrnehmungsbezogene Veränderungen ein neuronales Korrelat haben, und kann plastische Veränderungen von bloßer Übung unterscheiden.
Solche rigorosen Studien werden klären, ob Hirnstimulation Glaukompatienten wirklich hilft oder lediglich ein Placebo-ähnlicher Effekt ist. Bis dahin bleiben tDCS und TMS vielversprechende Forschungsinstrumente, aber unbewiesene Therapien für Patienten.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Pilotstudien zur Hirnstimulation bei Glaukom geringfügige Verbesserungen in Gesichtsfeldtests oder Kontrastaufgaben berichten, diese jedoch oft den Verbesserungen ähneln, die bei Scheinstimulation beobachtet wurden (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Eine aktuelle randomisierte Studie ergab, dass eine einzelne Sitzung von okzipitaler a-tDCS nur eine um wenige Prozent bessere Erkennungsgenauigkeit als die Scheinstimulation erzielte (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Eine größere Sehnervstudie zeigte einige Gesichtsfeldverbesserungen nach mehreren Tagen transorbitalen Stroms, aber der Unterschied zur Scheinstimulation war unmittelbar nach der Behandlung nicht signifikant (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Die berichtete „Dauerhaftigkeit“ dieser Verbesserungen variiert; eine Studie fand nach 2 Monaten einen kleinen Vorteil für die echte Stimulation bei einer Messgröße (pmc.ncbi.nlm.nih.gov), aber die meisten Effekte hielten nicht an.
Mechanistisch könnten Verbesserungen echte neuroplastische Veränderungen widerspiegeln – das Gehirn vernetzt sich neu, um die verbleibenden retinalen Signale besser zu nutzen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) – oder einfach die Reduzierung von aberrantem neuronalem Rauschen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Alternativ könnten motivationale oder Placeboeffekte für einige Verbesserungen verantwortlich sein. Die vorhandenen Beweise sind noch vorläufig. Zukünftige Forschung benötigt gut kontrollierte Studien mit wiederholten Sitzungen, objektiven Messgrößen und Hirnbildgebung, um endgültig zu beweisen, ob tDCS oder TMS Glaukompatienten helfen können.
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