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Die Pipeline 2024–2025 für IOP-unabhängige Neuroprotektion bei Glaukom

Published on December 17, 2025
Die Pipeline 2024–2025 für IOP-unabhängige Neuroprotektion bei Glaukom

Einführung


Glaukom ist eine häufige Augenerkrankung, die retinale Ganglienzellen (RGCs) – die Nervenzellen, die visuelle Signale vom Auge zum Gehirn leiten – schädigt und zu irreversiblem Sehverlust führt. Die meisten Behandlungen konzentrieren sich auf die Senkung des Augeninnendrucks (intraokularer Druck oder IOP), was bei vielen Patienten tatsächlich die Schädigung verlangsamt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Ein großer Teil der Glaukompatienten verliert jedoch die Sehkraft, selbst wenn ihr IOP normal oder gut kontrolliert ist. Dies hat großes Interesse an der IOP-unabhängigen Neuroprotektion geweckt – Therapien, die direkt darauf abzielen, RGCs am Leben zu erhalten, indem sie andere Stressfaktoren bekämpfen. Langfristige RGC-Schäden beim Glaukom wurden nicht nur mit Druck in Verbindung gebracht, sondern auch mit schlechter Durchblutung, übermäßiger Erregung durch Gehirnchemikalien (Exzitotoxizität) und oxidativem Stress (schädigende Moleküle in Zellen) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Neue Behandlungen in der Entwicklung streben den Schutz von RGCs durch verschiedene Strategien an: Stabilisierung der Zellmitochondrien (der „Kraftwerke“ der RGCs), Bereitstellung neurotropher Faktoren (Wachstumssignale), Reduzierung von Entzündungen und Beruhigung überaktiver Immunzellen (Mikroglia). Im Folgenden werden wir wichtige Kandidaten im Spätstadium dieser Kategorien überprüfen, ihre Mechanismen und den Fortschritt der Studien erläutern und diskutieren, wie moderne Studiendesigns und Biomarker nach früheren Enttäuschungen endlich zum Erfolg führen könnten.

Mitochondriale Stabilisatoren


RGCs haben einen sehr hohen Energiebedarf. Mitochondrien in RGCs produzieren ATP (Energie), können aber auch schädliche freie Radikale erzeugen. Medikamente oder Nährstoffe, die Mitochondrien stabilisieren und einen gesunden Stoffwechsel fördern, stehen im Mittelpunkt. Zum Beispiel ist Nicotinamid (Vitamin B3) ein Vorläufer für NAD^+, einen Co-Faktor, der die Energieproduktion antreibt. In Glaukommodellen schützte hochdosiertes Nicotinamid RGCs stark (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Dies führte zu einer großen Humanstudie: Die 2022 begonnene, von Großbritannien geleitete Studie soll etwa 500 Patienten über 4 Jahre einschließen, um zu testen, ob Nicotinamid den Sehverlust verzögert (www.ucl.ac.uk). Diese Studie wird auch die mitochondriale „Leistung“ in Blutzellen und andere Biomarker messen (www.ucl.ac.uk). Frühe kleine Studien mit hochdosiertem Nicotinamid deuteten bereits darauf hin, dass sich die Sehkraft einiger Patienten verbesserte (www.ucl.ac.uk). Trotz seines vielversprechenden Potenzials kann Nicotinamid in sehr hohen Dosen Rötungen oder Übelkeit verursachen, daher wird die Sicherheit der Studie genau beobachtet. Citicolin (CDP-Cholin) ist ein weiterer Mitochondrien-Verstärker. Es hilft beim Aufbau von Zellmembranen und unterstützt den Energiestoffwechsel. Klinische Studien (hauptsächlich außerhalb der USA) berichten, dass Citicolin-Ergänzungsmittel (orale Tropfen oder Pillen) das Fortschreiten des Glaukoms verlangsamen oder die Sehfunktion verbessern können (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Tatsächlich haben Langzeitstudien gezeigt, dass behandelte Patienten weniger Gesichtsfeldverluste und eine bessere Lebensqualität hatten, unabhängig vom IOP (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Citicolin ist gut verträglich, und Augentropfenformen sind in Europa bereits für Glaukom zugelassen. (Im Gegensatz zu früheren Misserfolgen erwarten Experten offizielle Zulassungen in weiteren Ländern in Kürze (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).)

Andere mitochondriale Ansätze befinden sich in frühen/präklinischen Stadien. Zum Beispiel steigert die NDI1-Gentherapie (AAV-NDI1) direkt die mitochondriale Atmung. Bei Glaukom-Mäusen schützte eine einzelne monatliche Augeninjektion von AAV-NDI1 die RGCs und verbesserte ihre elektrischen Reaktionen (www.mdpi.com). Dieser Ansatz verwendet ein Virus, um ein starkes, aus Hefe gewonnenes Enzym zu liefern, das in RGC-Mitochondrien wirkt. Das dahinterstehende Unternehmen (Vzarii Therapeutics) plant, auf Humanstudien hinzuarbeiten, dies wird jedoch wahrscheinlich noch mehrere Jahre dauern. In der Zwischenzeit wird angenommen, dass gängige Nahrungsergänzungsmittel wie Coenzym Q10 (CoQ10) oder Pyruvat ebenfalls freie Radikale abfangen und Mitochondrien unterstützen. Frühe Studien deuten darauf hin, dass sie die RGC-Funktion verbessern könnten, aber definitive klinische Studien stehen noch aus.

Neurotrophe Unterstützung


Neurotrophe Faktoren sind natürlich vorkommende Proteine, die Neuronen „ernähren“ und am Leben erhalten. Beim Glaukom ist der Transport dieser Faktoren vom Gehirn zum Auge beeinträchtigt. Die direkte Zufuhr neurotropher Signale zum Auge ist eine weitere Strategie. Zum Beispiel wurde ein rekombinanter Nervenwachstumsfaktor (rhNGF) als Augentropfen getestet. In einer kürzlich durchgeführten Phase-1b-Studie erhielten 60 Glaukompatienten 8 Wochen lang hochdosierte rhNGF-Tropfen (oder Placebo) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Das primäre Ziel war die Sicherheit und Verträglichkeit. Die gute Nachricht: Kein Patient hatte schwerwiegende unerwünschte Ereignisse durch die Tropfen, und es gab keine Druckspitzen oder gefährlichen Sehveränderungen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Nebenwirkungen waren mild (meist Augen- oder Stirnschmerzen), und nur etwa 7 % der behandelten Patienten setzten die Tropfen aufgrund von Unwohlsein ab (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Hinsichtlich der Wirksamkeit zeigten die behandelten Augen leichte, nicht signifikante Tendenzen zu besseren Gesichtsfeldern und einer dickeren Nervenschicht als Placebo, aber in dieser kleinen, kurzen Studie wurde kein statistischer Nutzen festgestellt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Die Autoren merkten an, dass längere Studien mit mehr Patienten erforderlich sein werden, um einen klaren Nutzen aufzuzeigen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Dennoch stellen diese Ergebnisse einen wichtigen Schritt dar: Ein wachstumsfaktorhaltiger Augentropfen war sicher und deutete einen Effekt an, was die Voraussetzungen für eine echte Neuroprotektionsstudie schafft.

Gentherapien zur Bereitstellung neurotropher Signale werden ebenfalls untersucht. Ein innovativer Ansatz entwickelte eine permanent aktive Version des BDNF-Rezeptors (TrkB), um einen niedrigen BDNF-Spiegel in kranken Augen zu umgehen (www.asgct.org) (www.asgct.org). Bei Mäusen half intravitreal verabreichtes AAV, das diesen modifizierten Rezeptor (F-iTrkB) trug, die RGCs zu erhalten und sogar ein gewisses Axonwachstum zu stimulieren (www.asgct.org). Diese Gentherapien sind sehr experimentell und noch in Tiermodellen, aber sie zeigen, wie die direkte Zufuhr neurotropher Unterstützung in das Auge eines Tages das Überleben von RGCs und die Nervenreparatur unterstützen könnte. Andere Wachstumsfaktoren wie CNTF (ciliarer neurotropher Faktor) wurden ausprobiert: Eine implantierte Zellkapsel, die CNTF freisetzt, zeigte in frühen Studien Sicherheit, obwohl die Wirksamkeit speziell bei Glaukom noch nicht nachgewiesen wurde (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).

Entzündungshemmung und Modulation der Mikroglia


Chronische Entzündungen scheinen zum Glaukom beizutragen. Insbesondere können die Immunzellen der Netzhaut (Mikroglia) überaktiv werden und Synapsen an RGCs beschneiden, wodurch der Zellverlust beschleunigt wird. Eine führende Therapie in diesem Bereich ist ANX007, ein Fragment eines Antikörpers, der das Komplementprotein C1q angreift. C1q ist Teil des angeborenen immunologischen „Markierungssystems“ des Körpers: Es markiert normalerweise schwache Synapsen zur Entfernung durch Mikroglia, aber beim Glaukom findet sich überschüssiges C1q an retinalen Synapsen, und experimentelle Modelle zeigen, dass die genetische Entfernung von C1q RGCs schützt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). ANX007 wird in den Glaskörper (in das Auge) injiziert, um die Wirkung von C1q zu blockieren.

Eine kürzlich durchgeführte Phase-1-Studie testete ANX007 bei 26 Glaukompatienten (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Es wurden Einzeldosen und wiederholte Injektionen (in zwei Dosierungen) verabreicht. Die Ergebnisse waren ermutigend: Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und keinen signifikanten Anstieg des Augeninnendrucks durch die Injektionen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Wichtig ist, dass die Analyse zeigte, dass die C1q-Spiegel im Kammerwasser (Augenflüssigkeit) innerhalb von 4 Wochen nach der Injektion auf nicht nachweisbare Werte sanken, was eine vollständige Zielbindung anzeigt (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Kurz gesagt, ANX007 war gut verträglich und sättigte sein Ziel effektiv, was weitere Studien unterstützt. Eine Phase-II-Studie ist nun geplant, um zu sehen, ob monatliche Injektionen von ANX007 das Fortschreiten des Glaukoms verlangsamen können.

Andere entzündungshemmende Ansätze wurden untersucht. Zum Beispiel wurden breite Anti-TNF-Behandlungen (wie Infliximab) in Modellen der Sehnervenentzündung getestet, und kleinere Medikamente wie Minocyclin (ein Antibiotikum, das Mikroglia beruhigt) zeigten gemischte Ergebnisse bei Nagetieren (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Bisher hat kein potenter Mikroglia-Hemmer in humanen Glaukomstudien große Fortschritte gemacht. Die Komplementinhibitoren sind jedoch ein konkretes Beispiel für die Umsetzung des Mikroglia-Konzepts in ein Medikament.

Warum frühere Studien scheiterten – und was sich ändert


Angesichts des dringenden Bedarfs wurden bereits vor Jahrzehnten mehrere neuroprotektive Studien versucht – am bekanntesten mit Memantin und hochdosiertem Brimonidin –, aber sie hatten negative oder unschlüssige Ergebnisse. Memantin, ein Alzheimer-Medikament, das überaktive NMDA-Rezeptoren blockiert, zeigte in Tierversuchen großes Potenzial. Tatsächlich schlossen zwei massive 4-Jahres-Studien 2.298 Glaukompatienten mit Memantin-Pillen ein (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Enttäuschenderweise verlangsamte das Medikament den Sehverlust im Vergleich zu Placebo nicht (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Diese Misserfolge dämpften die Begeisterung für Neuroprotektion eine Zeit lang. Experten nennen mehrere Gründe: Glaukom schreitet langsam und variabel fort, was es schwierig macht, kleine Vorteile in typischen Studienzeiträumen zu erkennen. Auch die verwendeten Endpunkte (standardmäßige Gesichtsfelder und Diskusuntersuchungen) können verrauscht sein und subtile Neuroprotektion übersehen.

Heutige Studien sind anspruchsvoller. Die Prüfärzte verwenden mehrere strukturelle und funktionelle Endpunkte über Druck und Gesichtsfelder hinaus. Zum Beispiel umfassen viele Studien jetzt OCT-Messungen der retinalen Nervenfaserdicke, Pattern-Elektroretinogramme (PERG) oder photopische Negativantworten (elektrische Tests der RGC-Funktion) und andere Biomarker, um frühe Veränderungen zu erfassen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Eine spannende Technologie ist DARC (Detection of Apoptosing Retinal Cells): Sie verwendet einen fluoreszierenden Marker (Annexin A5), um absterbende RGCs bei lebenden Patienten abzubilden (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Obwohl noch nicht routinemäßig eingesetzt, untersuchen Studien DARC als frühes Signal für die Medikamentenwirkung. Kurz gesagt, durch die Kombination von fortschrittlicher Bildgebung und Elektrophysiologie hoffen neue Studien, neuroprotektive Effekte früher und in kleineren Patientengruppen zu sehen.

Realistische Zeitpläne bis zur Zulassung


Angesichts der aktuellen Pipeline ist eine direkte Zulassung eines IOP-unabhängigen neuroprotektiven Medikaments bis 2025 unwahrscheinlich. Viele Kandidaten erreichen gerade erst die mittleren oder späten Studienphasen. Zum Beispiel begann die Nicotinamid (Vitamin B3)-Studie im Jahr 2022 und wird 4 Jahre dauern (www.ucl.ac.uk), so dass die Ergebnisse erst Mitte der 2020er Jahre bekannt sein werden. Nur wenn diese Ergebnisse stark positiv sind, würden regulatorische Anträge folgen, was die Zulassung wahrscheinlich in die späten 2020er Jahre verschieben würde. Nahrungsergänzungsmittel wie Citicolin und CoQ10 werden von einigen bereits „off-label“ verwendet, aber sie haben keine formelle FDA-Zulassung für Glaukom; ihre weite Verbreitung in Europa (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) deutet darauf hin, dass die USA sie in zukünftigen Leitlinien übernehmen könnten. Biologische Therapien wie NGF oder Komplement-Antikörper haben längere Wege: rhNGF-Augentropfen werden nach den positiven Sicherheitssignalen größere Phase-II/III-Studien benötigen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov), und ANX007 muss beweisen, dass es das Glaukom tatsächlich verlangsamt (Phase II), bevor eine mögliche FDA-Prüfung erfolgt. Gentherapien (z. B. AAV-NDI1 oder F-iTrkB) werden wahrscheinlich ein Jahrzehnt oder länger brauchen, um am Menschen getestet zu werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Forscher vorsichtig optimistisch sind. Die Pipeline zielt jetzt mit intelligenteren Studiendesigns und besseren Bildgebungs-/Biomarkern auf mehrere Glaukom-Signalwege ab. Wenn frühe Endpunkte wie die OCT-Ausdünnung oder die RGC-Funktion in kommenden Studien verbessert werden, könnten dedizierte neuroprotektive Behandlungen Realität werden. Bis dahin sollten Patienten weiterhin bewährte IOP-senkende Behandlungen fortsetzen, während Ärzte und Patienten die „Off-Label“-Anwendung sicherer Nahrungsergänzungsmittel (wie B3-Vitamine oder Citicolin) von Fall zu Fall besprechen können. Das erneute Tempo der Innovation bietet Hoffnung, dass in den nächsten 5–10 Jahren neue Therapien entstehen werden, um die Sehkraft über die Druckkontrolle hinaus zu schützen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov) (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).

Fazit: Die Schutz des Sehnervs bei Glaukom ohne Veränderung des Augeninnendrucks ist seit langem ein „Heiliger Gral“ (pmc.ncbi.nlm.nih.gov). Die aktuelle Glaukom-Pipeline umfasst vielversprechende Ansätze – von Mitochondrien-Boostern (Vitamin B3, Citicolin) über Wachstumsfaktoren (NGF-ähnliche Tropfen) bis hin zu Immunmodulatoren (Komplement-Inhibitoren) –, die darauf abzielen, das Überleben der RGCs direkt zu unterstützen. Frühe Studien legen den Schwerpunkt auf Sicherheit und Biomarker-Endpunkte und lernen aus früheren Rückschlägen. Obwohl eine IOP-unabhängige Heilung nicht unmittelbar bevorsteht, können beharrliche Forschung und ein intelligentes Studiendesign (mit neuen Bildgebungswerkzeugen) in diesem Jahrzehnt endlich FDA-zugelassene neuroprotektive Behandlungen in die klinische Versorgung bringen.

Disclaimer: This article is for informational purposes only and does not constitute medical advice. Always consult with a qualified healthcare professional for diagnosis and treatment.

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